Naturnaher Waldbau - Naturverjüngung und Baumartenwahl

Schon seit über 100 Jahren gibt es in Deutschland Bestrebungen, die Forstwirtschaft naturnäher zu gestalten. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele Aspekte des naturnahen Waldbaus fast flächendeckend in der Waldbewirtschaftung durchgesetzt. Insbesondere Waldeigentümer sollten sich im Interesse Ihres Waldes mit diesem wichtigen Konzept auseinandersetzen. Doch versteht man unter naturnahem Waldbau? Die Antwort gibt Ihnen dieser diesem Artikel.

Naturnaher Waldbau auf Waldhilfe

Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Land- und der Forstwirtschaft: In der Landwirtschaft werden gezielt vorherrschende Bedingungen verändert, um das Wachstum ausgewählter Pflanzen zu verbessern. Der Boden und andere Umweltbedingungen werden durch gezielte Entwässerung, Bewässerung oder Düngung zugunsten eines optimalen Pflanzenwachstums verändert.

In der Forstwirtschaft sind Veränderungen von Umweltbedingungen hingegen nicht praktikabel und oftmals sogar verboten.

Im naturnahen Waldbau geht es dementsprechend darum, möglichst gut mit den gegebenen Voraussetzungen am Standort eines Waldes zu arbeiten. Für den Wald und seinen Eigentümer hat das in vielerlei Hinsicht positive Auswirkungen. Zu den wichtigsten Aspekten des naturnahen Waldbaus zählen:

Die richtige Baumartenwahl – Der Schlüssel zum naturnahen Waldbau

Im naturnahen Waldbau wird darauf geachtet, Baumarten zu wählen, die zu den örtlichen Gegebenheiten passen. Entscheidende Faktoren sind dabei unter anderem:

  • die Qualität des Bodens
  • die Niederschlagsmenge
  • die Höhenlage

In den letzten drei Jahrhunderten wurden in Deutschland großflächig Kiefern und Fichten angepflanzt, wo einmal Laubwälder standen. Zum einen ist das darauf zurückzuführen, dass immer wieder Wälder aufgrund eines außerordentlich hohen Holzbedarfs durch die Industrialisierung oder Kriege abgeholzt wurden. Kiefern und Fichten wachsen im Gegensatz zu den meisten Laubbaumarten schnell und kommen besser mit den Bedingungen auf Freiflächen zurecht. Zudem bietet sich ihr Holz aufgrund der spezifischen Eigenschaften vor allem als Bauholz an.

Werden Nadelbäume jedoch an einem unpassenden Standort gepflanzt – womöglich sogar als alleinige Baumart in einer sogenannten Monokultur – dann sind die Bäume relativ anfällig gegenüber Schäden zum Beispiel durch Insekten, Stürme oder Waldbrände. Aufgrund dieser Anfälligkeit wird seit einigen Jahrzehnten gefordert, wieder auf Baumarten zu setzen, die besser an den Standort des jeweiligen Waldes angepasst sind.

Die Diskussion um veränderte klimatische Bedingungen befeuert diese Debatte zusätzlich: Experten erwarten eine steigende Anfälligkeit der Wälder durch den Klimawandel. In vielen Regionen Deutschlands dürften einige Bäume künftig nur noch unzureichend an die veränderten klimatischen Gegebenheiten angepasst sein. Möglicherweise findet damit eine Verschiebung ihrer derzeitigen Wuchsgebiete statt.

Grundsätzlich gilt: Je besser eine Baumart zum Standort des Waldes passt, desto naturnäher ist die Baumartenwahl. Schließlich würden sich ohne das Zutun des Menschen, also durch rein natürliche Prozesse, auch die Baumarten etablieren, die bestmöglich an den jeweiligen Standort angepasst sind. Andernfalls würde die Natur dafür sorgen, dass die Baumart mittel- oder langfristig von einer anderen verdrängt wird, die besser mit den lokalen Gegebenheiten zurecht kommt.

Mit der richtigen Wahl der Bäume können Sie sich auch in bewirtschafteten Wäldern an diesem Prinzip der Natur orientieren. Und so auch im Hinblick auf den Klimawandel Entscheidungen treffen, die das Risiko von Schäden und Kosten minimieren. 

Die Bedeutung des Standortes im naturnahen Waldbau

Der Standort eines Baumes oder Waldes bestimmt entscheidend wie er gedeiht. Die wichtigsten Faktoren, die einen forstlichen Standort ausmachen, sind der Boden, das Klima und das Relief, also die Höhenlage oder Ausrichtung an Hängen des Waldes. Verschiedene Böden unterscheiden sich maßgeblich in ihrer Fähigkeit Wasser und Nährstoffe zu speichern. Und auch das Klima unterscheidet sich in den verschiedenen Regionen Deutschlands deutlich. Manche Baumarten gedeihen gut in hohen Lagen andere besser im Tiefland. Informieren Sie sich über die Bedeutung des Standortes Ihres Waldes in diesem Artikel.

Waldboden
Um Ihren Wald naturnah zu gestalten, legen Sie den Fokus auf an den Boden und das Klima angepasste Baumarten.
© Brad Huchteman

Natürliche Prozesse im naturnahen Waldbau nutzen

Der vielleicht wichtigste Prozess für den naturnahen Waldbau ist die Naturverjüngung. Unter Naturverjüngung versteht man die Entstehung einer neuen Generation von Bäumen, ohne dass sie durch den Menschen gesät oder gepflanzt wurden. Die jungen Bäume wachsen also aus Samen, die von den umstehenden Bäumen gefallen sind, vom Wind auf die Fläche geweht oder von Tieren herangetragen wurden. Manchmal muss der Naturverjüngung etwas auf die Sprünge geholfen werden, zum Beispiel durch eine oberflächliche Bodenbearbeitung, um das Keimen der Samen zu unterstützen. Ein Zaun schützt die jungen Bäume vor dem Verbiss des Wildes und sichert ihnen optimale Wachstumsbedingungen.

Die Naturverjüngung zu nutzen ist deutlich günstiger, als Bäume zu pflanzen. Außerdem entstehen durch Aussamung meist sehr viele junge Pflanzen. Dadurch entsteht eine starke Konkurrenz. Nach den ersten Jahren bleiben im Idealfall vor allem die Bäume übrig, die am besten an die Umgebungsbedingungen am jeweiligen Standort angepasst sind und sich gegen ihre Konkurrenten behaupten konnten.

Natürlicher Pflanzenschutz

Die richtige Auswahl der Bäume hat auch eine positive Auswirkungen auf den natürlichen Schutz Ihres Waldes. Zum Beispiel kann der integrierte Pflanzenschutz so besser greifen. Gemeint sind alle vorbeugenden nicht chemischen Maßnahmen, die zum Schutz der Pflanzen führen, also zum Beispiel die Förderung der Strukturvielfalt oder auch des Artenreichtums. Integrierter Pflanzenschutz versucht also stets, chemische Eingriffe durch präventive Maßnahmen auf ein Minimum zu reduzieren.

Bereits die Auswahl der Samen und ihre Herkunft kann darüber entscheiden, ob Bäume Kräfte zehrende Stresssituationen überstehen oder absterben. Angepasste vitale Bäume, die unter ähnlichen Bedingungen wie in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet wachsen, sind weitaus resistenter als solche, die auf ungeeigneten Standorten stehen. Entscheidungen über die Struktur und Vielfalt Ihres Waldes können sich also gleichzeitig positiv auf seinen Schutz auswirken. Strukturreichtum fördert den Artenreichtum. So kann auch das Vorkommen natürlicher Feinde von Schädlingen gefördert werden und zu einem ökologischen Gleichgewicht im Wald beitragen.

Natürliche Astreinigung

Ein weiterer Prozess, der im naturnahen Waldbau dankend angenommen wird, ist die natürliche Astreinigung. Da die Bäume untereinander in Konkurrenz um das Sonnenlicht stehen, sterben die untersten Äste laufend ab, während der Baum weiter in die Höhe wächst. Das steigert langfristig die Qualität des Holzes, da große Äste die Möglichkeiten der späteren Holzverwendung deutlich einschränken würden. Das Ziel der naturnahen Wertholzproduktion ist es, die Bäume so lange dicht stehen zu lassen bis der astfreie Stamm der Bäume eine gewünschte Länge – meist zwischen fünf und zwölf Metern – erreicht hat. Dann sollten die qualitativ hochwertigsten und vitalsten Bäume gefördert werden, damit sie ausreichend Ressourcen haben, um schnell zu großen und stabilen Bäumen heran zu wachsen.

Bei einigen Baumarten, den sogenannten “Totasterhaltern”, verbleiben die Äste deutlich länger am Baum. Um dennoch hochwertiges Holz produzieren zu können, müssen die Totäste von Hand entfernt werden. Mehr dazu erfahren Sie in dem Artikel Die Wertastung.

Naturverjüngung
Die Naturverjüngung ist wohl eine der wichtigsten naturgegebenen Geschenke für die Waldwirtschaft. Aus den Samen ihrer Mutterbäume wachsen die kleinen Bäume auf und bilden die nächste Waldgeneration.
© Artur D.