Waldbrände und das
"Totholz-Dilemma"

Auf ein trockenes Jahr 2018 folgt ein trockener Frühling 2019 und die ersten Waldbrände füllen die Statistiken. Durch Klimaveränderungen kommen in den nächsten Jahren große Herausforderungen auf Waldeigentümer und Förster zu. Das gleiche gilt auch für die Fachkräfte der Feuerwehr. Dass es mit Totholz in unseren Wäldern einen erheblichen Risikofaktor gibt, der jedoch für einen zukünftigen Waldumbau und den Naturschutz unersetzlich ist, erläutert Dr. Michael Herrmann im folgenden Text – Ein Kommentar aus der Praxis:

Verkohlte Bäume - Waldbrand-Totholz-Dilemma

Totholz – Risiko und ökologischer Reichtum

Totholz wird allgemein als nützlich angesehen: Als Brutstätte für viele Tierarten, Insekten, Pilze und Mikroorganismen. Durch die im Verrottungsprozess freigesetzten Nährstoffe lässt sich zudem die Qualität karger Böden verbessern. Totholz ist für das Ökosystem Wald unverzichtbar. Doch unter bestimmten Bedingungen ist Totholz gleichzeitig eine erhebliche Gefahr für den Wald:

Die katastrophalen Waldbrände in Kalifornien im Herbst 2018, bei denen über 13.000 Häuser zerstört wurden und denen über 60 Menschen den Flammen zum Opfer fielen, haben neben langanhaltender Dürre und feuerbegünstigen Witterungsbedingungen eine Ursache: erhebliche Mengen an Totholz, die das Brandverhalten begünstigten und die Brände rasch außer Kontrolle geraten ließen. Genau genommen ist Totholz neben seinem unbestrittenen Nutzen eben auch eines: Brennstoff – und damit Teil des sog. Feuerdreiecks (Zündtemperatur, Sauerstoff, Brennstoff). Dieses Feuerdreieck hat eine simple Regel: Je größer die Menge des verfügbaren Brennstoffs, umso höher die Intensität des Feuers. Diese Regel gilt eben nicht nur für Kalifornien, sie ist universell und gilt gleichermaßen für deutsche Wälder.

Auch hierzulande hat Totholz zu katastrophalen Ausbreitungen von Waldbränden geführt. Etwa bei der Waldbandkatastrophe 1975 in Niedersachsen. Dieser bisher größten Brandkatastrophe war drei Jahre zuvor eine weitere Katastrophe vorausgegangen: Orkan „Quimburga“ hatte im November 1972 große Waldgebiete in der Lüneburger Heide verheert. In den Folgejahren wurde zwar das verwertbare Holz aus den Wäldern geholt, große Mengen an Totholz, insbesondere Kronenholz blieben jedoch in den niedersächsischen Wäldern zurück.

Als im August 1975 nach einer langen Trockenphase günstige Brandbedingungen herrschten, war die Katastrophe vorprogrammiert: Entstehungsbrände fanden reichlich Nahrung, erreichten Flammenhöhen von bis zu 40 Metern und überwanden durch sog. Flugfeuer selbst breite Feuerbarrieren, wie den damals im Bau befindlichen Elbe-Seiten-Kanal. Immer wieder wurden Feuerwehrleute bei der Brandbekämpfung von den Flammen eingeschlossen, fünf von ihnen starben am 10.08.1975 bei Meinersen im Landkreis Gifhorn. Dass neben den Witterungsbedingungen und vereinzelten Fehlern bei der Organisation der Brandbekämpfung eben auch die großen Mengen an Totholz wesentlich zur katastrophalen Ausbreitung der Brände beigetragen haben, gilt heute als gesichert.

Totholz im Bestand - Waldbrand-Totholz-Dilemma
Totholz bietet vielen Arten einen Lebensraum und hat somit hohes ökologisches Potential. Gleichzeitig birgt es in großen Mengen ein Risiko für Waldbrände.

Ein Dilemma im Zuge des Klimawandels

Wir beobachten, dass der Klimawandel schneller als ursprünglich gedacht voranschreitet und uns „stabilere“ Wetterlagen beschert, was eben längere Regenphasen, aber auch längere Dürreperioden mit sich bringt. Einen Vorgeschmack auf die künftige Entwicklung hat uns der Sommer 2018 gegeben – und in Brandenburg zu Waldbränden geführt, die hinsichtlich der Flächenverluste nur knapp unter denen im Rekordjahr 1976 lagen.

In der folgenden öffentlichen Diskussion wurde schnell der Ruf nach einem Waldumbau laut. Die besonders feuergefährlichen Kiefernwälder sollen in weniger gefährlicher Mischwälder umgewandelt werden. Das passiert nicht von selbst, schon gar nicht auf armen Böden. Um die armen Böden auf den Waldumbau vorzubereiten, wird wiederum eines benötigt: Totholz.

Wir befinden uns also in einem „Totholz-Dilemma“: Wir benötigen es einerseits zum Waldumbau, andererseits gefährden zu große Mengen an Totholz in Dürrejahren den Wald durch eine hohe Brandlast, die zur vollständigen Zerstörung des Waldes, insbesondere der wichtigen Rohhumusschicht führen kann.

Gibt es einen Ausweg?

Um es vorwegzunehmen: Es gibt keinen „Königsweg“ aus diesem Dilemma. Was wir aber benötigen, ist eine Balance zwischen Totholz als Nährstofflieferant und Lebensraum vieler Arten einerseits und tödlicher Brandgefahr andererseits. Um die richtige Balance zu finden, müssen wir pragmatisch sein, vielleicht sogar experimentierfreudig und vor allen Dingen Vernunft über „Fundamentalismus“ stellen. Wer in Zeiten des Klimawandels Totholz auf großen Flächen „hortet“, fährt ein hohes Risiko und läuft Gefahr, alles zu verlieren. Ein sukzessiver, parzellenförmiger Waldumbau verringert das Risiko eines Totalverlustes erheblich. Klar sollte auch sein, dass große Totholzansammlungen in unmittelbarer Nähe zu Siedlungen und Ortslagen ein „No Go“ sind – das Risiko eines Übergreifens von Bränden durch Flugfeuer (trockenes Totholz neigt besonders zu intensiver Funkenbildung) oder direkte Fortpflanzung von Bränden auf Siedlungen ist erheblich. Ein weiterer Gedanke sei gestattet, auch wenn er bei uns immer noch reflexartig auf Ablehnung stößt: das kontrollierte Durchbrennen von geeigneten Beständen im Winterhalbjahr durch Fachleute reduziert die Totholzmenge im Wald erheblich, ohne dass die im Totholz enthaltenen Nährstoffe dem Wald vollständig verloren gehen – ein Großteil bleibt als Asche verfügbar.

Klar ist: der Klimawandel verlangt nicht nur vom Wald, sondern gerade von Waldeigentümern, -nutzern, -besuchern, aber auch Feuerwehrleuten eine enorme Anpassungsleistung, die es innerhalb einer vermutlich sehr kurzen Zeitspanne zu bewältigen gilt. Kreativität und vor allen Dingen, die Bereitschaft, diesen sich klar abzeichnenden Wandel anzunehmen, sind wichtige Voraussetzungen, um das „Totholz-Dilemma“ zu bewältigen und in die richtige Bahn zu lenken.

Wald nach Brand - Waldbrand-Totholz-Dilemma
Um großflächige Waldbrände zu vermeiden, kommt es darauf an, zwischen Brandgefahr durch Totholz und dessen ökologischen Nutzen abzuwägen und eine Balance herzustellen.

Zum Autor

Dr. Michael Herrmann ist Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „ForestFireWatch“. Der Verein setzt sich für eine Verbesserung der Waldbrandprävention ein. In diesem Rahmen bietet der Verein Projekte an Schulen an, setzt sich für präventive Schutzmaßmahmen ein und führt Patrouillenfahrten in Zeiten besonders hoher Waldbrandgefährdung durch.

 

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