Herr Becker, was ist das besondere an einer Waldgenossenschaft und wie organisieren sich die Waldeigentümer?
Die gemeinschaftliche Bewirtschaftung des Waldeigentums zum Nutzen der Waldgenossen und zum Wohle der Allgemeinheit ist satzungsmäßig erklärtes Ziel unserer Waldgenossenschaft (WG). Dass dies natürlich in Form einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft erfolgt, zu dem die WG als Wirtschafterin auch gesetzlich verpflichtet ist, versteht sich von selbst.
Die Waldgenossenschaften in unserer Gegend sind zumeist sogenannte „altrechtliche Waldgenossenschaften“. Immobilien wie Wald, Feld, Gewässer oder Gebäude können im Eigentum dieser Gesamthandsgemeinschaften sein. So ist lediglich die Waldgenossenschaft im Grundbuch vermerkt. Der Vorstand führt sogenannte „Lagerbücher“ mit grundbuchähnlichem Charakter. Hier sind die Besitzanteile eines jeden Genossen vermerkt. Waldgenosse kann man also werden, wenn man in Besitz von Anteilen gelangt. Die Eintragung oder jegliche Veränderung der im Lagerbuch geführten Anteile bedarf der Vorlage eines privatrechtlichen Vertrages, besser Notarvertrages über Kauf oder Verkauf von Anteilen, oder dem Erbschein beim Vorstand. Das Waldgesetz verpflichtet die Forstbehörden zur Kontrolle dieser Vorgänge.
Das Besondere einer WG ist die gemeinschaftliche Bewirtschaftung des Waldvermögens. Das höchste Organ in unserer Waldgenossenschaft ist die Mitgliederversammlung. Sie wird auf Wunsch der Mitglieder, aber mindestens einmal im Jahr, einberufen. Ihr obliegt die Wahl und Kontrolle des Vorstandes. Sie hat die Beschlusshoheit für wesentliche Vorgänge in der Genossenschaft, z.B. über die Durchführung des Betriebs- und Wirtschaftsplans.
Für mich bedeutet aber die gemeinsame Bewirtschaftung vor Allem, dass unsere Waldgenossen bewusst die Gemeinschaft organisieren und pflegen.
Wir möchten alles zum Wohle unseres Waldes und unseres Miteinanders tun.
Wie kam es zur Entstehung Ihrer Waldgenossenschaft?
Unsere Waldgenossenschaft existiert schon seit über 100 Jahren. Leider wurden zu DDR –Zeiten die Fortschreibung des Eigentums im Grundbuch und im Lagerbuch seitens der Waldgenossen sehr vernachlässigt. So kam es, dass hier zum Teil unbekannte oder längst verstorbene Alteigentümer verzeichnet waren, jedoch nicht die Aktuellen. Aus diesem Zustand heraus war es unmöglich, die Mehrzahl der Genossen zu einer Mitgliederversammlung einzuladen. Nach verschiedenen Rechercheversuchen zeichnete sich das Dilemma immer deutlicher ab.
Zur gleichen Zeit wurde in unserer Feldlage ein Flurbereinigungsverfahren im Zusammenhang mit dem Autobahnbau der A71 angeordnet. Hier wurde in großem Stil „von Amts wegen“ Eigentümerermittlung betrieben. Das war die Lösung!
Nach mehreren Mitgliederversammlungen unserer heimischen Forstbetriebsgemeinschaft stand fest: Wir wollen auch so ein Flurbereinigungsverfahren! Mittlerweile haben wir in Wölfershausen ein Pilotprojekt Waldflurbereinigung „Wölfershäuser Wälder“. Mit dessen Hilfe wurde unsere Waldgenossenschaft wiederbelebt und dient nun als Kristallisationspunkt für beitrittswillige, benachbarte Privatwaldbesitzer. Im Verfahren sind insgesamt über 600 Kleinstflurstücke. Das Interesse am Beitritt zur Waldgenossenschaft ist riesig.